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Vortrag auf der Tagung der DGSMP
Vortrag Martina Rauchfuß anlässlich der Ehrung als Senior Professional auf der Tagung der Deutschen Gesellschaft für Sexualmedizin und Sexualpsychologie (DGSMP) am 09.11.2024
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich freue mich sehr heute erste Frau von der Deutschen Gesellschaft für Sexualmedizin und Sexualpsychologie die Ehrung als Senior Professional zu erhalten. Es ist für mich auch eine ganz besondere Situation als Mensch aus der ehemaligen DDR am 09. November 2024 35 Jahre nach der Maueröffnung heute hier zu stehen. Herzlichen Dank für die Wertschätzung und das Vertrauen.
Mir wurde die Möglichkeit eingeräumt ein paar Worte zu meiner persönlichen Entwicklung und meiner Beziehung zur Sexualmedizin und Sexualpsychologie zu sagen, was ich gern tue.
Geboren wurde ich als Tochter eines Frauenarztes und einer Lehrerin an einem Sonntagnachmittag im Haus meiner Eltern. Obwohl mein Vater Frauenarzt war, wurde er aus dem Geburtszimmer geschickt und meine Mutter brachte mich mit Unterstützung einer Hebamme und meiner Großmutter, die selbst 11 Kinder geboren hatte auf die Welt. Das Haus meiner Eltern stand in der kleinen Stadt Zerbst in Sachsen-Anhalt.
In dieser Stadt ging ich bis zum Abitur zur Schule und begann dann ein Medizinstudium in Berlin. Obwohl ich nie Frauenärztin werden wollte, hat mich eine Famulatur in der Geburtshilfe dann für das Fach begeistert. Meine Weiterbildungsstelle an der Frauenklinik der Charité verdanke ich der „Republikflucht“ einiger Kolleginnen Anfang der 70iger Jahre des vorigen Jahrhunderts die zu einer Personalnot in der Klinik führte, was mir die Chance verschaffte an der Charité zu arbeiten.
Ich liebte und liebe die Kombination von klinischer Arbeit, Forschung und Lehre und sage immer, das habe ich genetisch von meinen Eltern, der Lehrerin und dem Frauenarzt mitbekommen die ihre Berufe liebten und tolle Arbeit geleistet haben. Sie waren und sind für mich Vorbilder.
In meinem primären Fachgebiet der Gynäkologie und Geburtshilfe war ich gern operativ tätig aber schon während meiner Weiterbildungszeit merkte ich häufig, dass Frauen, die wir behandelten, nicht nur körperlich erkrankt waren bzw. ihre Erkrankung nicht nur somatisch verursacht war. Daher nahm ich einige Jahre nach bestandener Fachärztinprüfung gern das Angebot an in die Abteilung Soziale Gynäkologie der Charité-Frauenklinik zu wechseln. An der Frauenklinik gab es 3 Lehrstühle, einen für Gynäkologie, einen für Geburtshilfe und einen für Soziale Gynäkologie.
Dessen Geschichte ging bis in die 20iger Jahre des 20. Jahrhunderts zurück. Hier findet sich bereits ein erster Link zur Sexualwissenschaft und Sexualmedizin. Magnus Hirschfeld leitete von 1919 bis 1933 das Institut für Sexualwissenschaft in Berlin. 1925 wurde der Gynäkologe Wilhelm Liepmann in Berlin zum Direktor des Instituts für Frauenkunde in dem Frauen Informationen und Aufklärung erhielten aber auch behandelt wurden ernannt. 1929 wurde der erste offizielle Lehrauftrag für Soziale Gynäkologie an einer deutschen Universität vom preußischen Kultusminister an Wilhelm Liepmann vergeben. Sowohl Hirschfeld als auch Liepmann, wurden als Juden kurz nach der Machergreifung Hitlers ihrer Ämter enthoben und mussten emigrieren. Hirschfeld ging zunächst in die Schweiz und dann nach Frankreich Liepmann ging als Direktor der Klinik für Frauenkrankheiten und Geburtshilfe an die Universität Instanbul wo er bis zu seinem Tod 1939 tätig war.
Der Lehrstuhl Soziale Gynäkologie wurde 1967 als 3. Lehrstuhl wieder an der Frauenklinik der Charité etabliert. Ab 1980 hatte Anita Weißbach-Rieger diesen Lehrstuhl inne. Mein klinisches und wissenschaftliche Interesse fokussierte sich relativ rasch nach meinem Arbeitsbeginn in der Sozialen Gynäkologie auf psychosomatische und sexualmedizinische Felder in der Frauenheilkunde. Eine wissenschaftliche Arbeit die mich von psychosomatischen Zusammenhängen in unserem Fachgebiet war der Artikel von Dietmar Richter „Psychosomatisch und endokrinologisch orientierte Diagnostik und Therapie des Sekundäre Amenorrhoe Syndroms. Behandlungsergebnisse von 100 Amenorrhoe Patientinnen.“ Gynäkologe 15:173ff
Durch meine eigenen Veröffentlichungen wurden Protagonisten der westdeutschen Psychosomatischen Frauenheilkunde auf mich aufmerksam und ich entdeckte meinen Namen, ich meine es war das Jahr 1988, im Mitgliederverzeichnis der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Geburtshilfe und Gynäkologie. Dies brachte mir Ärger an der Charité ein machte mich aber auch stolz darauf, dass meine Forschungsergebnisse jenseits der Mauer wahrgenommen wurden.
Nach dem 2. Weltkrieg hatte sich die Psychosomatische Gynäkologie und Geburtshilfe in beiden deutschen Staaten unterschiedlich entwickelt. Ab Mitte er 70iger Jahre gab es in der Bundesrepublik Deutschland jährliche psychosomatisch-gynäkologische Fortbildungstagungen zunächst in Mainz später an verschiedenen Orten aus denen 1985 die Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Geburtshilfe und Gynäkologie hervorging.
In der DDR fanden ab den 1960iger Jahren regelmäßig Psychotherapietagungen statt die aber vorwiegend von Internisten und Psychiatern besucht wurden. Der Internist Kurt Höck, ein Vater der Psychotherapie in der DDR brachte 1973 ein Buch „Psychotherapie in der modernen Gynäkologie heraus und ermutigte Frauenärzte sich für psychosomatische Aspekte in ihrem Fach zu öffnen. Am 16. November 1979 gründeten in der DDR 6 Gynäkologen unter der Leitung von Paul Franke die „Arbeitsgemeinschaft für Psychosomatische Gynäkologie und Geburtshilfe“ aus der 1983 eine „Interdisziplinäre Arbeitsgemeinschaft für Psychotherapie und medizinische Psychologie der Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe der DDR und der Gesellschaft für ärztliche Psychotherapie der DDR“ wurde. Ab 1985 engagierte ich mich als Mitglied in dieser Arbeitsgemeinschaft und war sowohl in Forschung und Lehre an der Universität als auch in der Patientinnenversorgung psychosomatisch und sexualmedizinisch engagiert. Parallel begann ich 1986 eine Weiterbildung in tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie die ich 1993 beenden konnte.
In vielen Fachgesellschaften traten nach der Wende die östlichen Gesellschaften der westlichen bei. Die beiden gynäkologische psychosomatischen Gesellschaften gingen einen anderen Weg. Man näherte sich langsam an, tauschte Erfahrungen und Konzepte aus. Im Februar 2000 fand hier in Dresden eine gemeinsame Tagung der beiden Psychosomatischen Fachgesellschaften (DGPGG und OGPGG) statt. In diesem Kontext wurde die Auflösung beider Gesellschaften und die Gründung einer neuen gemeinsamen Fachgesellschaft (DGPFG) beschlossen. Von 2005 bis 2013 war ich die Präsidentin dieser Gesellschaft.
Einen solchen sanften und auch respektvollen Umgang mit dem in der DDR Gewachsenen gab es nach der „Wende“ an der Charité eher nicht. Es gab einen ausgeprägten Neustrukturierungsprozess in dem Wissen, Erfahrungen und Strukturen aus dem Osten nur sehr begrenzt Beachtung fand. Für die Frauenklinik fand der Lehrstuhl für Soziale Gynäkologie im Neustrukturierungsprozess keinen Platz mehr, obwohl es eine ganze Reihe von wertschätzenden und unterstützenden Gutachten und Stellungnahmen u.a. von der International Society of Psychosomatic Obstetrics and Gnaecology und deren Präsidenten Manfred Stauber oder auch der Vizepräsidentin des Deutschen Bundetagen Renate Schmidt gab. Der Lehrstuhl für Soziale Gynäkologie wurde nicht wiederbesetzt und die Abteilung 1993 aufgelöst. Im gleichen Jahr konnte ich im Berliner Forschungsverbund Public Health ein großes Forschungsprojekt einwerben in dem für 3 Jahre außer mir als Projektleiterin 4 wissenschaftlich Mitarbeiterinnen, eine Sekretärin und mehrere studentische Hilfskräfte tätig waren. Im Projekt Soziopsychosomatisch orientierte Begleitung in der Schwangerschaft untersuchten wir u.a. auch den Einfluss von Partnerschaft und Sexualität auf den Verlauf der Schwangerschaft. Da ich auch meine Handlungskompetenz in der Betreuung von Paaren verbessern wollt absolvierte ich von 1992 bis 1994 eine Fortbildung in Paarberatung am evangelischen Institut für Familienberatung in Berlin. Inzwischen sind Paarberatung und Paartherapie ein fester Bestandteil meiner psychotherapeutischen Tätigkeit. Wir bekamen durch den Projektträger eine sehr gute technische Ausstattung und die Charité stellte uns renovierte, schöne Räume mit reichlich Platz zur Verfügung. Dieses Equipment habe ich später als meine bzw. die Mitgift der Psychosozialen Frauenheilkunde bezeichnet. Über den Eingang zu unseren Räumen brachten wir das Schild „Psychosoziale Frauenheilkunde“ an. Nach Projektende Anfang 1996 stand die Frage was wird mit Rauchfuß und ihren Mitarbeiterinnen und was mit der Ausstattung. Die Mitarbeiterinnen erhielten Stellen in anderen Abteilungen oder Kliniken der Charité oder mussten sich an anderer Stelle bewerben. Für mich überlegt man sich Folgendes:
Anfang 1996 nahm Klaus Beier die C3 Professur für Sexualwissenschaften an der Charité an, und man dachte „verheiraten“ wir doch die Psychosoziale Frauenheilkunde, die eine gute Mitgift mitbringt mit den Sexualwissenschaften die ein zu Hause braucht. Die Idee war sicher eine gute und so kam ich an das Institut für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin. Die Ehe war nicht konfliktfrei, aber ich habe viel gelernt und mich weiterentwickelt. Ich betreute viele Patienten, Patientinnen und Paare, arbeitete bei der curricular fundierten berufsbegleitenden sexualmedizinischen Fortbildung und der Lehre an der Charité mit und betreute sexualmedizinische Doktorarbeiten. Insgesamt war ich von 1996 bis 2002 Mitarbeiterin bei Herrn Beier. In dieser Zeit wurde ich für 1 Jahr (1998/1999) an die Otto von Guericke Universität Magdeburg auf die Dorothea Erxleben Gastprofessur berufen und konnte dort in Forschung und Lehre insbesondere das Fachgebiet Psychosomatische Frauenheilkunde vertreten. Am 01.01.2003 wechselte ich an die Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Psychosomatik wo ich am 26. Juni 2003 meine Habilitation zum Thema „Psychosomatische Aspekte von Frühgeburtlichkeit und fetaler intrauteriner Retardierung“ erfolgreich beenden konnte
Zwei der am Institut für Sexualmedizin begonnen und später an der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Psychosomatik fortgeführten Arbeiten, die mir besonders wichtig und erwähnenswert sind, wurden von Heike Mark und Katharina Bitzker zum Thema „Gewalt und Gesundheit. Eine Untersuchung zu körperlichen und sexuellen Gewalterfahrungen im Zusammenhang mit der gesundheitlichen Lage erwachsener Frauen“ verfasst. Die Untersuchung fand von Juni 2002 bis April 2003 in 13 Berliner Praxen für Allgemeinmedizin und Frauenheilkunde statt, was die Praxisinhaberi*nnen mit Sicherheit für das Thema sensibilisiert hat. Die Ergebnisse konnten hochrangig publiziert werden und beeinflussten wesentlich die Handlungsempfehlung zum Umgang mit gewaltbetroffenen Frauen der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe.
Psychosomatische Frauenheilkunde und Sexualmedizin waren und sind für mich wichtige Themen, die ich versuche in meiner ärztlich-psychotherapeutischen Tätigkeit und in Lehre und Fort- und Weiterbildung umzusetzen und zu vermitteln. In der Lehre war ich im Reform- und Modellstudiengang der Charité für das Modul Hormone, Geschlechtsorgane, Sexualität verantwortlich. Seit 2012 engagiere ich mich an der privaten Medizinischen Hochschule Brandenburg für das gleiche Modul sowie für das Modul Frauenheilkunde und Geburtshilfe. 2018 erhielt ich von der MHB den Ruf auf die Honorarprofessur für Gynäkologie und Geburtshilfe. Hier halte ich z.B. im 8. Semester mit dem Leiter der Rechtsmedizin des Landes Brandenburg eine Vorlesung zum Umgang mit Opfern körperlicher und/oder sexueller Gewalt.
Kurse für die Psychosomatische Grundversorgung in denen selbstverständlich sexualmedizinische Themen und das Thema Gewalt und Gesundheit ihren Platz haben biete ich seit vielen Jahren gemeinsam mit erfahrenen ärztlichen und psychologischen Kolleg*innen an.
Seit 2012 gibt es das Weiterbildungsinstitut für Psychosomatische Frauenheilkunde (Wipf e.V.) deren Vorsitzende seit der Gründung bin. Dort bilden wir Frauenärztinnen und -ärzte aus ganz Deutschland in Psychotherapie weiter. Inzwischen haben 126 Kolleg*innen die Weiterbildung abgeschlossen bzw. sind noch in der Weiterbildung. Für Juni 2025 ist der Start des X. Curriculums geplant, für das es bereits 13 Anmeldungen gibt. Am Wipf gibt es neben Psychotherapie und Psychosomatischer Grundversorgung weitere Kurse u.a. Psychoonkologie. Selbstverständlich sind sexualmedizinisch-sexualtherapeutische Themen darin von Bedeutung. Die Anregung aus Kreisen der DGSMP auch Kurse in sexualmedizinischer Grundversorgung in das Angebot des WIPF aufzunehmen, werde ich gern in die Anfang Dezember stattfindende MV des Wipf mitnehmen.
Nochmals herzlichen Dank für die mir zuteil gewordene Ehrung und weitere gute Kommunikation und Kooperation zwischen der DGSMP und der Psychosomatischen Frauenheilkunde. Das sollte eigentlich nicht schwer fallen da Herr Böhme für beide Bereiche Geschäftsstellenfunktion hat.